Montag, 8. April 2019

Begünstigung von Amts wegen oder nur Schlamperei?
Regierungspräsidium Stuttgart greift nicht durch - Heilbronner Stadtverwaltung gerät  wohl zu Recht zunehmend in die Kritik

Daß in Baden-Württemberg der Gleichheitsgrundsatz im Kommunalrecht per Gesetz ausgehebelt wurde, darüber haben wir schon einmal berichtet:
Fraktionen in den Kommunalparlamenten genießen durch Beschluß der davon profitierenden Gemeinderatsmehrheit vom 16.12.2016 Vorrechte gegenüber anderen Gruppierungen und Einzelstadträten und sie nutzen dies in Heilbronn auch weidlich für ihre Zwecke aus.
So konnten insbesondere CDU und SPD sich 14tägig in der "Heilbronner Stadtzeitung", dem städtischen Amtsblatt,  darstellen.
Fraktionslose Gruppen und Einzelstadträte durften ihre Sicht der Dinge den Bürger dagegen nur alle 8 Wochen mitteilen.
 Entsprechend reduziert wurden dazu auch ihre Kurzfassungen zu den Haushaltsberatungen.
Per Mehrheitsbeschluß des Gemeinderates hatte man das in einem Redaktionsstatut ebenso fixiert, wie die Beschränkung der Veröffentlichung von derartigen Beiträgen im Zeitraum von 3 Monaten vor Wahlen.
Und es hatte den Anschein,  daß dies auch für die übrigen Mitteilungsblätter gilt, die als ein Privileg der späteren Eingemeindung ursprünglich sogar als "Amtsblätter" den jüngeren Stadtteilen Biberach, Frankenbach, Horkheim und Kirchhausen als wöchentliche Ausgabe zugestanden wurden. align="left" style="margin-top: 0; margin-bottom: 0">Jedenfalls stand das auch so im Heilbronner Amtsblatt - der "Stadtzeitung" - vom 22.12.2016. Und was dort steht, darauf sollte man sich auch verlassen dürfen.

Zwar wurde den Gemeinderatsmitgliedern fristgemäß die Veröffentlichungssperre mitgeteilt, doch schon am Tag des Inkrafttretens des Veröffentlichungsverbotes tauchten Beiträge von Rathausparteien in den Ortsnachrichten auf.
Nachdem auch in der Folgewoche derartige Beiträge erschienen sind, hat sich die im Gemeinderat der Stadt Heilbronn vertretende Bürgerbewegung PRO Heilbronn mit einer Beschwerde über die somit als Begünstigung zu bewertende Freizügigkeit für die im Heilbronner Gemeinderat vertretenen Parteien im Vorfeld der Kommunalwahl vom 26. Mai 2019 an die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Stuttgart gewandt.

Während nämlich zumindest PRO Heilbronn per Schreiben der Pressestelle der Stadt Heilbronn (eMail vom 23.01.2019, 17:19) auf die im Redaktionsstatut festgelegte Karenzzeit hingewiesen wurde, die drei Monate vor der anstehenden Kommunalwahl am 26. Mai beginnt, werden die im Gemeinderat vertretenen Parteien CDU, SPD und Bündnis90/Die Grünen offensichtlich durch die Gestattung von Veröffentlichungen von Beiträgen in den Amtsblättern der Stadtteile Biberach, Frankenbach, Horkheim und Kirchhausen demnach mehrfach durch die dafür verantwortlichen Amtsträgern begünstigt.
 Im am 19.12.2016 veröffentlichten Redaktionsstatut der Stadt Heilbronn heißt es unter § 8 (6) nämlich: „Drei Monate vor allgemeinen Wahlen werden keine Beiträge von Parteien, Wählervereinigungen oder sonstigen politischen Vereinigungen veröffentlicht.
Diese vermeintliche Bestimmung wurde bereits in Ausgaben vom 28. Februar 2019 unterlaufen.

Und dann ging es in der Folgewoche mit den die genannten Parteien begünstigenden Beiträge in den Ausgaben der Amtsblätter von
– Biberach vom 7.3.2019 (CDU)
– Biberach vom 7.3.2019 (Bündnis90/Die Grünen)
– Biberach vom 14.3.2019 (SPD)
– Frankenbach vom 7.3.2019 (Bündnis90/Die Grünen)
 – Frankenbach vom 14.3.2019 (SPD)
– Horkheim vom 7.3.2019 (Bündnis90/Die Grünen)
– Horkheim vom 14.3.2019 (CDU)
– Horkheim vom 14.3.2019 (SPD)
– Kirchhausen vom 7.3.2019 (Bündnis90/Die Grünen)
– Kirchhausen vom 14.3.2019 (SPD) einfach so weiter,

wobei im letzteren Fall die Partei (SPD) selbst raffiniert unbenannt geblieben ist.

PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach dazu an das Regierungspräsidium Stuttgart:
"Wir erwarten, daß diese gegen das Redaktionsstatut der Stadt Heilbronn vom 19.12.2016 aufgrund von § 20 Abs. 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) verstoßende Praxis Ihrerseits unverzüglich unterbunden wird und bitten um Mitteilung des Ergebnisses Ihrer Bemühungen und den daraus sich ergebenden Konsequenzen und Maßnahmen".
Doch außer einer Mitteilung des RP Stuttgart, daß man das Schreiben erhalten habe und der Ankündigung "Nach Abschluss der Prüfung werden wir wieder auf Sie zukommen" geschah nichts, denn auch in der nächsten Ausgabe der Stadtteil-Mitteilungen eine Woche später änderte sich bei der Bevorzugung nichts.
 Eine erneute Unterrichtung der die Angelegenheit bearbeitenden Dame im Regierungspräsidium erbrachte nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Bündnis90/Die Grünen und die SPD durften sich erneut echauffieren.
Doch damit nicht genug: Das Spiel geht auch wieder eine Woche später lustig weiter.
Nachdem erneut ein "Mitteilungsblatt Frankenbach" vom 28.3.2019 vor mit einem weiteren Beitrag der Partei SPD auf dessen Seite 7 vorgelegen hat, reklamierte PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach diesmal auch in einer Kopie an den amtierenden Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer diesen Vorgang erneut mit den Worten: "Auf die Mitteilung weiterer Verstöße in anderen als Amtsblätter herausgegebenen Mitteilungsblättern vom 21.3.2019 haben wir im Vertrauen auf Ihr unverzügliches Einschreiten verzichtet. Nachdem nunmehr erneut derartige Beiträge erscheinen, gehen wir davon aus, daß Sie zur unverzüglichen Abstellung dieser Begünstigung keine wirksame Maßnahme unternommen haben. Eine Begründung dafür liegt uns nicht vor und wir betrachten diese Vorgänge als eine amtlich geduldete, aber unzulässige Einflußnahme auf die bevorstehenden Wahlen vom 26.5.2019. Wir erwarten nochmals, daß Sie Sorge dafür tragen, daß diese Praxis der Begünstigung nun sofort abgestellt wird. Die Öffentlichkeit wird von uns nun dazu unterrichtet."

Die Eingangsbestätigung kam diesmal vom Regierungspräsidenten selbst und man durfte gespannt sein, ob es erst noch einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft bedurft hätte, um diese wohl parteipolitisch motivierten Machenschaften abzustellen.

Reaktion nach Wochen mit erstaunlichem Eingeständnis
Die Reaktion kam nach der erfolgten Veröffentlichung prompt.
Ließ man seither die Dinge einfach weiterlaufen, so trudelte nun an alle Gruppierungen des Gemeinderates ein Schreiben des Bürgeramtes ein, in dem schlichtweg erklärt wurde: "Bei den Mitteilungsblättern gilt für den redaktionellen Teil ebenfalls eine dreimonatige Karenzzeit (vgl. § 8 Abs. 6 des Redaktionsstatuts). Zugelassen sind in dieser Zeit lediglich einfache Veranstaltungshinweise in der sonst im redaktionellen Teil üblichen Form".

Mit keinem Wort wurde Bezug auf die Veröffentlichung im städt. Amtsblatt "Stadtzeitung" vom 22.12.2016 genommen, was PRO-Stadtrat Alfred Dagenbach zum Anlaß nahm, in dessen Kenntnis zu widersprechen und eine Strafanzeige anzudrohen.
Eine Kopie ging an das Regierungspräsidium Stuttgart.

Und nun konnte man von dort binnen Stunden reagieren.
Auf einmal erfolgte die bizarre Aufklärung, daß es sich bei der Veröffentlichung des Redaktionsstatuts im Amtsblatt vom 22.12.2016 "unerklärlicherweise" zur Veröffentlichung "einer früheren Fassung gekommen" sei, "es wurde also nicht die im Gemeinderat am 19.12.2016 beschlossene und von Herrn Oberbürgermeister Mergel ausgefertigte Fassung des Redaktionsstatuts, sondern eine veraltete Fassung veröffentlicht".
 In § 8 Abs. 6 des Redaktionsstatuts vom 19.12.2016 sei geregelt, "dass ab drei Monaten vor allgemeinen Wahlen keine Beiträge von Parteien, Wählervereinigung oder sonstigen politischen Vereinigungen oder einzelnen Wahlbewerbern veröffentlicht werden..."
Die Stadtverwaltung unter OB Mergel habe daher also richtig gehandelt.

Alfred Dagenbach wird dazu in einer Replik an das Regierungspräsidium deutlich:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bestätigen den Eingang Ihrer Nachricht.
Leider können wir mit Ihrer freundlichen Interpretation des irreführenden Heilbronner Verwaltungshandelns nicht restlos übereinstimmen.
Noch weniger als ein Bundesminister und seine Beamten das Grundgesetz tragen Kommunalpolitiker die Gesetzesblätter unter dem Arm herum, müssen sich aber auf die in Amtsblättern gemachten amtlichen Veröffentlichungen verlassen können: Amtliche Auskünfte müssen vollständig, richtig und unmißverständlich sein (BGH III ZR 114/68 u.a.)
Da es sich nicht um einen Aprilscherz, sondern um eine Veröffentlichung des Statuts im Amtsblatt handelt, mit der ja auch eindeutig Bezug auf die Bestimmungen der Gemeindeordnung genommen wird, ist dennoch eine nach außen satzungsgleich wirkende Darstellung erfolgt.
Unverständlich bleibt, warum auf unsere Beschwerde nicht umgehend durch Hinweis auf die Falschveröffentlichung reagiert wurde, denn im Glauben, daß es sich um die verlässlich vollständige, richtige und unmißverständlich korrekte Wiedergabe des am 19.12.2016 vom Gemeinderat beschlossenen Redaktionsstatuts handelt, haben wir unsererseits - wie möglicherweise auch andere, insbesondere im Gemeinderat vertretene Gruppierungen - mindestens 4 Wochen keine Veranstaltungshinweise in den Mitteilungsblättern platziert.
Man hat dies von Amts wegen nach dem Motto "selber schuld, wer sich auf diese falsche Veröffentlichung verläßt" ruhig weiter so hingenommen und den Hinweis auf die irrtümliche Falschveröffentlichung auch im Schreiben des Bürgeramts der Stadt Heilbronn [Tue, 2 Apr 2019 12:22:50 +0000] unterlassen.
Ob dies parteipolitisch motiviert so veranlaßt wurde, sei dahingestellt, reagiert wurde jedenfalls nur von Ihrer Seite mit der Klarstellung der Fakten erst, nachdem unsererseits eine mögliche Strafanzeige in den Raum gestellt wurde.
Einmal mehr erfüllt das auch von Bürgern zunehmend in Frage gestellte Verwaltungshandeln nicht mehr den Anspruch, den diese als den Lebensunterhalt der Amtsträger zu gewährende Steuerzahler als Gegenleistung zu erwarten haben.
Unsere im Schreiben vom 16.3.2019 gemachten Vorbehalte bleiben bestehen, zumal Sie ein Einschreiten der Rechtsaufsicht nicht in Betracht ziehen. ..."
Der gesamte Schriftwechsel ist unter Dienstaufsichtsbeschwerde nachlesbar.

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